Etwa 30 Prozent aller Kinder in Deutschland kommen durch einen Kaiserschnitt auf die Welt. Frühere Forschungen ließen vermuten, dass der Eingriff mit einem erhöhten Risiko für Atemwegserkrankungen einhergehe. Diese Annahme konnte nun allerdings in einer aktuellen Studie widerlegt werden.
Wann ist ein Kaiserschnitt nötig?
Ein Kaiserschnitt wird von Gynäkologen insbesondere dann empfohlen, wenn eine natürliche Entbindung mit hohen gesundheitlichen Risiken für Mutter oder Kind einhergeht. Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Lage des Embryos einer konventionellen Geburt im Wege steht. Doch auch ein drohender Gebärmutterriss oder ein verstopfter Muttermund können den normalen Geburtsablauf behindern. Da eine Sauerstoffunterversorgung des Ungeborenen akutes Handeln erfordert, wird in diesen Fällen dringlichst zu einer Schnittentbindung geraten. Die Anatomie der Mutter spielt beim Geburtsvorgang ebenso eine wichtige Rolle: Wenn das mütterliche Becken dem Kopfumfang des Embryos nicht gerecht wird, können potenzielle Komplikationen durch eine sogenannte Sectio vermieden werden.
Detaillierte Untersuchungen
Um dem vorherrschenden Mythos auf den Grund zu gehen, führten Experten der Universität Bern umfangreiche Untersuchungen durch. Dabei waren für die Mediziner zwei Altersabschnitte relevant: das erste und das siebente Lebensjahr. An sämtlichen Versuchspersonen wurde das Atmungssystem eingehend inspiziert. Die Forscher stießen auf überraschende Ergebnisse: Schon im ersten Lebensjahr stellten die Fachleute keine Korrelation zwischen Kaiserschnitt-Geburten und Atemwegserkrankungen fest. Im Vergleich zu jenen Kindern, die auf natürliche Weise geboren wurden, konnten keine signifikanten Unterschiede der Lungenfunktion bei Kaiserschnittkindern nachgewiesen werden.
Einzigartige Langzeitstudie
Das Forschungsprojekt umfasste 578 gesunde Neugeborene der BILD-Kohorte (Basel Bern Infant Lung Development Cohort). Im Laufe des ersten Lebensjahres erfassten die Forscher jede Woche die Symptome von Atemwegserkrankungen. Nach sechs Jahren wurde zudem die Lungenfunktion detailliert untersucht. Darüber hinaus erfassten die Fachleute erworbene Erkrankungen des Atmungssystems sowie die Allergieneigung. Angesichts der vielfältigen Forschungsmethoden betrachten die Mediziner eine derartige Langzeitstudie als bisher einzigartig. Die Aussagekraft der Resultate wird dementsprechend als hoch eingestuft.
Hohe Relevanz für Geburtsberatung
„Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nur Aussagen über die Gruppe von Kindern machen, die wir studiert haben. Es gilt auch zu berücksichtigen, dass die Anzahl an Kindern mit Asthmasymptomen relativ klein ist“, betont die Studienleiterin PD Dr. med. Sophie Yammine. Aufgrund dessen rät die Medizinerin nachdrücklich von voreiligen Schlüssen ab. Von hoher Relevanz für die Geburtsberatung seien allerdings die fehlenden Unterschiede zwischen Normalgeborenen und per Kaiserschnitt geborenem Nachwuchs. „Schon nach einem Jahr und erst recht nach sechs Jahren waren in der untersuchten Gruppe die möglichen Nachteile durch Kaiserschnitt vollständig kompensiert worden. Es konnte kein erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Atmungssystems und für Allergien für Kaiserschnittgeborene nachgewiesen werden“, resümiert die Expertin.
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