In Großbritannien wurde kürzlich eine neue Art von Coronavirus in Fledermäusen entdeckt. Der Erreger gehört zur Gattung der Sabecoviren, zu denen unter anderem auch SARS und SARS-CoV-2 zählen. Zwar fehlt dem neuen Fledermaus-Coronavirus die Fähigkeit Menschen zu infizieren – das könnte sich im Falle einer Rekombination aber schon bald ändern.
Lange gemeinsame Vorgeschichte
Fledermäuse leben schon seit mehreren Millionen Jahren mit unterschiedlichen Coronaviren in Koexistenz. Wissenschaftler gehen davon aus, dass jedes Tier im Mittel 2,7 Virenarten beherbergt – insgesamt sollen es sogar mehr als 3.000 verschiedene Coronaviren sein. Mutationen dieser Virenstämme können auch für den Menschen gefährlich werden, wenn sie dazu in der Lage sind unsere Zellen zu infizieren. Beispiele aus der Vergangenheit sind etwa MERS, SARS und seit Kurzem auch SARS-CoV-2.
Besonderes Risiko aus Asien
Deshalb werden Fledermauspopulationen ständig überwacht, um mögliche Mutationen frühzeitig zu erkennen. So können Viren identifiziert werden, die potenziell vor einem Artsprung auf den Menschen stehen. Das Hauptrisiko ging dabei bisher vor allem von Fledermäusen in Südostasien und Südchina aus, deren Anzahl zoonotischer Coronaviren in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Doch auch in unseren Breitengraden können Fledermäuse Erreger aus der SARS-Untergattung der Sarbecoviren beherbergen, wie nun eine aktuelle Studie belegt. Das Team um Jack Crook vom Nationalen Infektionsdienst in Porton Down hat dafür 53 Kotproben von Kleinen Hufeisennasen (Rhinolophus hipposideros) aus England und Wales auf Viren analysiert. Im Unterschied zur nah-verwandten Großen Hufeisennase, die als gutes Coronavirus-Reservoir gilt, wurden bei dieser Fledermausart bislang noch keine Coronaviren nachgewiesen.
Gensignaturen eines unbekannten Virus gefunden
Bei den anschließenden Analysen entdeckten die Forschenden eine neue Gensignatur einer zuvor unbekannten Coronavirus-Art: Das gefundene Coronavirus RhGB01 gehört ebenfalls wie SARS und SARS-CoV-2 zur Untergattung der Sarbecoviren. Es ist damit der erste Nachweis eines Virus dieser Gruppe in Großbritannien und in Kleinen Hufeisennasen weltweit: „Unsere Studie erweitert damit sowohl die geografische Verbreitung dieser Coronaviren als auch das Spektrum der von ihnen befallenen Arten. Die Betacoronaviren sind demnach deutlich weiter über die Hufeisennasen-Spezies verbreitet als bislang angenommen“, erklärt Studienautorin Diana Bell.
Keine Bedrohung für uns Menschen
Laut vergleichenden Genanalysen unterscheidet sich das neue RhGB01-Coronavirus jedoch in Schlüsselmerkmalen von den zoonotischen SARS-Viren. Die RNA ist zu 79 Prozent mit SARS-CoV-2 identisch, auch die Rezeptorbindungs-Domäne von RhGB01 unterscheidet sich stark von den humanpathogen Coronaviren. Damit ist es SARS-CoV-2 in diesem Bereich nur zu 48 Prozent ähnlich: „Dieses britische Virus ist keine Bedrohung für uns Menschen“, bestätigt auch Studienautor Andrew Cunningham. Geht es nach den Ergebnissen der Studie fehlen RhGB01 für einen direkten Artsprung demnach zu viele Anpassungen an den menschlichen Organismus.
Gefährlichere Mutationen möglich
Diese Situation könnte sich aber bald ändern: „Das Problem ist, dass eine Fledermaus als Schmelztiegel für Virenmutationen fungieren kann. Wenn sich eine mit RhGB01 infizierte Fledermaus zusätzlich mit SARS-CoV-2 ansteckt, besteht die Gefahr, dass diese Viren sich kreuzen“, gibt Cunningham zu bedenken. Es könnte durch die Hybridisierung ein völlig neues Virus entstehen, das auch den Menschen infizieren kann, indem es die fehlenden Anpassungen von SARS-CoV-2 übernimmt.
Übertragung muss verhindert werden
„Es ist daher entscheidend, eine Übertragung von SARS-VoV-2 von Menschen auf Fledermäuse zu verhindern. Generell müssten global strikte Regelungen für alle eingeführt werden, die mit Fledermäusen und anderen Wildtieren in Kontakt kommen“, so Bell weiter. Menschen, die mit Fledermäusen in Kontakt kommen, wird daher empfohlen immer eine Maske zu tragen und andere Schutzvorkehrungen zu befolgen. „Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass die Verbreitung der Sarbecoviren und ihre Möglichkeiten der Rekombination durch Koinfektionen bisher unterschätzt wurden“, fasst Cunningham zusammen.
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