In einer Zeit, in der jeder seine täglichen 10.000 Schritte mit einem Fitbit zu verfolgen scheint, Kalorien mit MyFitnessPal zu messen sind und die Fruchtbarkeit mit einer App kontrolliert wird, ist es einfach sich an Zahlen festzuhalten. Liegt mein Body-Mass-Index unter 25? Ist mein Blutdruck normal für mein Alter? Ist mein Blutniveau von diesem bösen LDL-Cholesterin unter 100 mg/dL?
Doch auch dieser Ansatz hat seine Grenzen und führt Sie vielleicht sogar in die Irre. Neuere Forschungen schlagen vor, dass wir persönlichere Ziele setzten sollten, anstatt dem verallgemeinerten ‚Gesundheitsoptimum‘ nach zu eifern.
Betrachten Sie den Blutzucker – eine Thema für ungefähr die Hälfte von amerikanischen Erwachsenen, die entweder Diabetes haben oder prediabetisch sind. Jahrzehntelang haben Ärzte solchen Patienten gesagt, dass sie sich unter ein bestimmtes Ziel setzen sollten: einen Blutzuckerspiegel von 7 Prozent Hämoglobin A1C – ein zuckerbeschichtetes Protein, das den Blutzuckerspiegel für die letzten zwei bis drei Monate widerspiegelt. Die magische Zahl basierte auf einer klassischen Studie von 1993, die mehrere, langfristige Vorteile zeigte, wenn man für sieben Jahre durch Diät, Drogen oder Bewegung bei diesem Wert blieb.
JoAnn Manson, Leiterin der Präventivmedizin im Bostoner Brigham and Women’s Hospital betreute über 25 Jahre lang Patienten, die der ‚perfekten Sieben‘ hinterher jagten. Dieses Ziel neigt dazu, im Laufe der Zeit immer schwieriger erreicht zu werden, da die körpereigene Insulinproduktion sinkt und die Patienten immer mehr Medikamente nehmen müssen. Nebenwirkungen summieren sich. Genau wie die Arztrechnungen. Und, was noch wichtiger ist: Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass nicht alle Medikamente, die den A1C-Spiegel senken, gleichermaßen gut geeignet sind Diabetiker vor Herzkrankheiten, Nierenversagen, Blindheit und anderen gefürchteten Komplikationen zu schützen.
Zunehmend empfehlen Experten einen individuelleren Ansatz zur Behandlung der Krankheit. Eine Überlegung ist, dass die Vorteile einer „strengen Kontrolle“ des Blutzuckers über viele Jahre hinweg langsam zunehmen, wohingegen die Schäden einer Überbehandlung. Das bedeutet ein älterer oder schwächerer Patient konnte nicht lang genug leben, um den Nutzen zu sehen,“sagt Endokrinologe Judith Fradkin des nationalen Instituts von Diabetes.
Fazit: Behandlung wird zur Diskussion.
Das gleiche kann über die Kontrolle des Cholesterinspiegels gesagt werden. Vor fünfzehn Jahren erklärten Ärzte Patienten, dass sie ihren LDL Cholesterinspiegel unter 100 mg/dL halten sollten und, wenn sie bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall gehabt hatten, unter 70 mg/dL, bleiben sollten. Obwohl diese Ideen nach wie vor bestehen, haben sich die Leitlinien im Jahr 2013 geändert, nachdem ein Expertengremium nicht genügend Anhaltspunkte für solche konkreten Ziele gefunden und sie durch einen stärker individualisierten Ansatz ersetzt hat. Wir haben einen großen Schritt getan, um die Leute dazu zu bringen, darüber nachzudenken, in welcher Art von Risikogruppe sie sich befanden, anstatt zu sagen, dass unter einer Zahl das Risiko verschwindet und dass über der Zahl, das ganze Risiko vorhanden ist „, sagt der Kardiologe Neil J. Stone von der Northwestern University, der den Vorsitz des Panels führte.
Der Bericht dieses Gremiums kam zu dem Schluss, dass es gute Ergebnisse für die Verwendung von Statinen (Cholesterinsyntheseenymhemmer) gibt – zusammen mit Änderungen des Lebensstils -, um den Cholesterinspiegel bei Risikopatienten zu senken, z. B. bei Patienten mit einer Vorgeschichte mit einem Herzinfarkt oder Schlaganfall oder Menschen zwischen 40 und 75 Jahren mit Diabetes. Aber für die „Besorgten“ war eine sorgfältige Beurteilung und Entscheidungsfindung gemeinsam mit dem Patienten der beste Weg. Das Panel veröffentlichte ein Tool zur Risikoeinschätzung, das dem Patienten helfen soll.
Allerdings gibt es immer noch ein paar Richtlinien. Ein LDL-Wert über 190 mg/dL sollte behandelt werden, egal was passiert. Und ein Hämoglobin A1C-Wert von neun oder mehr bedeutet Gefahr für jeden. Insgesamt hat sich die Medizin jedoch dem Mantra der geteilten Entscheidungsfindung verschrieben. Ein Grund dafür ist ein besseres Verständnis der Schäden, die durch Unter- und Überbehandlungen entstehen. Eine andere ist der Respekt vor den Präferenzen der Patienten. Die Leute kennen sich selbst sehr gut „, sagt Manson. Einige sind empfindlich auf Nebenwirkungen von Medikamenten, einige sind durch eine Familiengeschichte von Herzinfarkt oder Schlaganfall verängstigt.
Persönliche Ziele und gemeinsame Entscheidungen bedeuten für uns alle eine größere Belastung und mehr persöhnliche Arbeit. Trotzdem ist dies ein Weg, wo auch gesundheitsrelevanten Apps helfen können. Fradkin, Manson und andere freuen sich über eine neue Generation von wirklich intelligenten Apps, die weniger über das Zählen, sondern über das Treffen gesunder Entscheidungen unterstützen.
Dieser Artikel wurde ursprünglich mit dem Titel „Gesundheit durch Zahlen?“ veröffentlicht.
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