Woran stirbt ein Mensch? Biologisch gibt es im engeren Sinne nur wenige Todesursachen: Das Herz hört auf zu schlagen, die Atmung setzt aus, dann tritt der Hirntod ein. Was aber ist der Auslöser? Darüber gibt die jährliche Todesursachenstatistik Auskunft. Auf Platz eins: Herz-/Kreislauferkrankungen. Zweithäufigster Grund: Krebs. In diesem Jahr aber rückt eine Krankheit in den Fokus der Aufmerksamkeit, die auf den ersten Blick kaum jemand für tödlich hält: Demenz.
Bei Todesursachen neue statistische Herangehensweise
Es gibt eine auffällige Verschiebung in der Liste der häufigsten Todesursachen: Psychische Störungen, bzw Krankheiten wurden im vergangenen Jahr häufiger als Todesursache festgestellt. Das geht aus einer vor Kurzem veröffentlichten Statistik hervor. Das dafür zuständige Bundesamt berichtete von 16,9 Prozent mehr Todesfällen in dieser Diagnosegruppe. In 80 Prozent dieser Sterbefälle war laut Statistik eine Demenzerkrankung die Todesursache.
Verantwortlich hierfür ist auch eine neue statistische Systematik: Mehr als die unmittelbare Ursache (zum Beispiel Multiorganversagen) und deren Auslöser (etwa Lungenentzündung) rückt das Grundleiden (zum Beispiel Krebs) in den Fokus der Statistiker. Gleiches gilt, wenn ein Demenzkranker an den Folgen eines Sturzes verstirbt. Ist ein verwirrter Mensch am Ende seines Lebens nicht mehr in der Lage, zu essen oder zu trinken, kann als Grunderkrankung Demenz in den Totenschein eingetragen werden.
Demenz ist potentiell tödlich
Hierzu äußerte sich Herr Prof. Dr. Andreas Reif, Leiter der Klinik für Psychiatrie am Uni-Klinikum Frankfurt: „Demenz ist eine potenziell tödliche Krankheit.“ Im fortgeschrittenen Stadium könnten die Patienten nicht mehr essen und trinken – das führe zu Unterernährung und Austrocknung. Sie könnten im Extremfall auch nicht mehr schlucken – so könne Speichel in die Atemwege gelangen und die Lunge schädigen.
Gesellschaft und Gesundheitssystem sind auf die wachsende Zahl von Dementen zu wenig eingestellt, glaubt die Deutsche Stiftung Patientenschutz. «Während wir bei Krebs ein Konzept haben, ist das in Bezug auf neurologische Krankheiten doch eher ein vor sich hin Wurschteln», kritisiert Stiftungsvorstand Eugen Brysch. «Wir brauchen dringend eine «Agenda Demenz», die sich orientieren muss an der Qualität der Versorgung von Krebspatienten.»
Bei psychischen Leiden Selbstmordgefahr gross
Wer psychisch krank ist, trage nicht nur ein höheres Risiko, körperlich zu erkranken, betont Prof. Reif. Auch das Selbstmordrisiko ist massiv erhöht: «Bei 90 Prozent der Suizide weiß man, dass vorher eine psychische Störung bestand.» 10 076 Menschen setzten laut Todesursachenstatistik im Jahr 2013 ihrem Leben bewusst ein Ende – Männer fast dreimal so oft wie Frauen.
Während viel Geld beispielsweise in die Krebsprävention flösse, sei die Suizidprävention völlig unterfinanziert. «Die Mittel, die zur Verfügung stehen, spiegeln die Bedeutung psychischer Erkrankungen mitnichten wider.» Einem psychisch Kranken in einer Klinik würden nicht mal 30 Minuten psychologische Betreuung pro Woche finanziert, während für körperliche Krankheiten ein Vielfaches für Medikamente ausgegeben werde.
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