Die Therapie hat viele entscheidende Vorteile, doch von den gesetzlichen Krankenkassen wird sie bis jetzt noch nicht bezahlt. In der Stadt Heidelberg ging am Samstag der laufenden Woche eine Tagung systemischer Forschung in Therapie, Pädagogik und Organisationsentwicklung zu Ende.
Sie ist in der Zwischenzeit wissenschaftlich anerkannt und auf der ganzen Welt findet sie Anwendung, doch von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland wird sie in der ambulanten Versorgung noch immer nicht bezahlt: die Systemische Therapie. Hier herrscht allerdings entschieden Handlungsbedarf, so das Fazit einer Tagung zu systemischer Forschung in Therapie, Pädagogik und Organisationsentwicklung, die am Samstag dieser Woche in der Stadt Heidelberg zu Ende ging.
Ungefähr 300 Experten aus 23 verschiedenen europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten diskutierten drei Tage lang, wie soziale Systeme – Familien, Nachbarschaften, Schulen, Unternehmen – genau funktionieren.
Eröffnung mit einem Höhepunkt
Oder halt auch nicht funktionieren und in Krisensituationen beraten werden können. Auch wie diese komplexen Interaktionen wissenschaftlich untersucht werden können, war Thema der aktuellen Tagung in Heidelberg.
Eröffnet wurde die aktuelle Tagung in dieser Woche am Morgen des vergangenen Donnerstags gleich mit einem Höhepunkt: Prof. Russell Crane, Ehe- und Familientherapeut an der US- amerikanischen Uni Utah/USA, berichtete über seine Studie zu Wirksamkeit und Kosten von Familientherapie.
Kostengünstige Therapie
Crane hatte die Daten von ungefähr 4000 jungen Menschen, die als verhaltensgestört diagnostiziert waren, im Detail ausgewertet. Zur Verfügung standen unter anderem die Krankenkosten (Arzneimittel und Psychotherapie) zweieinhalb Jahre nach Abschluss der Therapie.
Bei den Kosten erwies sich Familientherapie als besonders günstig: Für eine psychotherapeutische Behandlung mit Einzeltherapie betrugen im Durchschnitt rund 16.000 US-Dollar, für eine Familientherapie in den Räumen des Therapeuten durchschnittlich etwa 11.000 US-Dollar.
Behandlung wirkt lange nach
Für eine aufsuchende Familientherapie, bei der der Therapeut zur Familie nach Hause kam, fielen nur ungefähr 1600 US- Dollar an. Zu ähnlichen Ergebnisse kam der US- amerikanische Wissenschaftler in einer Studie mit schizophrenen Erwachsenen.
„Die Einbeziehung von Familienmitgliedern in die Behandlung wirkt nachhaltig, ist kostengünstig, erhöht die Akzeptanz des Klienten und wir erreichen auch die Stiefkinder der therapeutischen Versorgung“, erklärt der Wissenschaftler Prof. Matthias Ochs in einer aktuellen Stellungnahme.
Systemische Therapie ein großer Erfolg
Das bedeutet auf Deutsch: Selbst Migranten, alte Personen, chronisch Kranke sowie sozial schwache Personen, für die die Hemmschwelle, einen Psychotherapeuten aufzusuchen, sehr hoch ist, können von dem systemischen Ansatz durchaus profitieren. Vieles spreche in der Zwischenzeit dafür, dass Cranes Studienergebnisse aus dem Gesundheitssystem der USA auch hierzulande Anwendung finden könnten, so Prof. Ochs weiter.
In erster Linie bei jungen Menschen mit Essstörungen, Anpassungsstörungen, Drogenkonsum und gestörtem Sozialverhalten ist Systemische Therapie durchaus nicht zu verachten. Selbst die Familien seien mit den aktuellen Ergebnissen meist durchweg sehr zufrieden und die Therapie wirke außerdem noch lange nach.
In Deutschland dauert es noch Jahre
Selbst bei Erwachsenen mit psychosomatischen Störungen, Essstörungen, Schizophrenie und depressiven Erkrankungen zeigt die Systemische Therapie deutlich bessere Erfolge als andere Therapien. Ziel sei es in erster Linie den Patienten so schnell wie möglich wieder auf die eigenen Beine zu stellen und ihn Mut zu geben, sein Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen. Schon in der ersten Sitzung werde aus diesem Grund großer Wert darauf gelegt, lösungsorientiert zu arbeiten.
Doch hierzulande mahlen die Mühlen berufspolitischer Entscheidungen doch noch immer sehr langsam, eine Entscheidung über die Übernahme der Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen könne wahrscheinlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen, so Bernhard Schorn, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) in einem aktuellen Interview.
Erheblicher Handlungsbedarf in Deutschland
In unserem Nachbarland Österreich ist man im Gegensatz dazu schon deutlich weiter: 22 therapeutische Verfahren seien in der Zwischenzeit schon anerkannt und werden von den Krankenkassen teilweise (mit)finanziert, darunter unterschiedliche Formen von Körpertherapie, Gestalttherapie und Psychodrama, wie Prof. Maria Borcsa in einer Stellungnahme zu berichten weiß.
Die Präsidentin der Association Européenne de Thérapie Familiale (EFTA) hat Familientherapie in 36 Staaten innerhalb Europas untersucht. Auch sie sieht für die Bundesrepublik Deutschland noch erheblichen Handlungsbedarf.
Chris
09.03.2014 13:12Das mag sein. Aber wer die derzeitige bundesdeutsche „Familien“-politik (Stichwort Väterentsorgung) mal kritisch etwas genauer untersucht, der wird feststellen daß eine Stabilisierung der seit jahrtausenden bewährten Familientradition nicht der politische Wille der Regierung ist. Je zerrütteter die Gesellschaft desto leichter läßt sie sich lenken.